Kundenservice wird heute immer häufiger durch Wissensteilung in einer Many-to-Many Kommunikation geleistet. Ein neues Know-how Sharing im Kundenservice entsteht. Das klassische Call Center mit seiner traditionellen One-to-One-Kommunikation verliert zunehmend den Anschluss an diese neuen Entwicklungen der Shareconomy und hat daher dringenden Anpassungsbedarf an die vernetzte Service-Ökonomie im Kundenservice 2.0.
One-to-One Kommunikation hat ausgedient
Die traditionelle Call Center Welt der One-to-One Kommunikation hat heute ausgedient. Denn in der neuen vernetzten Service-Ökonomie wird Wissen immer stärker zum gegenseitigen Nutzen ausgetauscht. Diesem Anspruch eines modernen Know-how Sharings werden die klassisch aufgestellten Call Center bislang nicht gerecht.
Google-Suche ersetzt den Call
Der Kunde schaut bei Serviceproblemen heute immer häufiger zuerst in das Internet bzw. in die Suchergebnisse von Google bevor er zum Telefonhörer greift. Denn den Kunden interessiert es in der Regel nicht, woher eine Hilfe für sein Problem stammt. Ihm kommt es auf eine schnelle, kompetente und einfache Problemlösung an. Diese Problemlösung findet der Kunde durch den wachsenden Anteil an Social Sharing Know-how immer häufiger außerhalb des Unternehmens. Dies liegt u.a. an der gängigen Praxis in der Suchmaschinenoptimierung (SEO).
Suchmaschinenoptimierung vernachlässigt Servicekriterien
Die Suchmaschinenoptimierung (SEO) der Websites von Unternehmen erfolgt heute überwiegend nach Vertriebskriterien, nicht jedoch nach Servicefragen der Kunden. Social Signals aus den sozialen Netzwerken werden von den Google-Algorithmen hingegen bevorzugt berücksichtigt. In der Konsequenz finden die Kunden bei ihrer Suche nach Antworten für ihre Serviceprobleme immer seltener die Website oder die spezielle Serviceseite mit dem Hinweis auf die Servicenummer eines Unternehmens auf den ersten Plätzen im Google-Ranking, sondern die Lösungsvorschläge von anderen Kunden in Foren, sozialen Netzwerken und in Kunden-Communities.
Service in der Many-to-Many Kommunikation
Denn mit dem Aufkommen der sozialen Medien nutzen die Kunden verstärkt die Möglichkeit, auch untereinander zu kommunizieren und ihr Wissen unabhängig von Unternehmen untereinander zu teilen und sich so gegenseitig zu helfen. Sie treffen sich z.B. in Ratgeber-Communities wie GuteFrage.net, Frag-Mutti.de oder Chefkoch.de um sich über Produkte und Lösungen auszutauschen und Empfehlen auszusprechen.
Sukzessiver Verlust der Geschäftsgrundlage
Oftmals können die Kundenprobleme daher bereits durch das Wissen anderer Kunden auf den neuen Social Sharing Plattformen gelöst werden. Ein Kontakt mit dem Unternehmen per Call erübrigt sich somit. In der Konsequenz verlieren traditionell aufgestellte Call Center sukzessiv ihre Geschäftsgrundlage.
Konsequenzen für die Prozesse im Kundenservice 2.0
Innovative Unternehmen nutzen das im Social Web vorhandene Wissen über die Lösungsmöglichkeiten von Kundenproblemen proaktiv und machen ihr Wissen im Wege eines neuen Know-how Sharings den Kunden transparent und zugänglich. Hierzu sind folgende Schritte erforderlich:
1) Aktives Social Media Monitoring
Das auf den unterschiedlichsten Plattformen im Internet vorhandene Kundenwissen ist mittels Social Media Monitoring systematisch zu erfassen und weiter zu analysieren.
2) Forcierung des Kundendialoges in eigenen Support Communties
Call Center müssen verstärkt eigene Support Communities aufbauen, den Kunden in diesen Communities aufmerksam zuhören und den Kundendialog aktiv moderieren, um vertieftes Wissen über die Lösungsmöglichkeiten von Kundenproblemen zu generieren.
3) Aufarbeitung und Verdichtung der Informationen
Die resultierende Fülle an Informationen über die Lösungsmöglichkeiten von Kundenproblemen muss in einem nächsten Schritt aufbereitet, systematisiert und als problemlösungsrelevantes Wissen verdichtet werden.
4) Zurverfügungstellung des Service Know-hows
Das synergetisch vernetzte Wissen ist in einem letzten Schritt unter der Federführung des Kundenservices auf offen zugänglichen Sharing-Plattformen den Kunden zur Verfügung zu stellen.
Neue Aufgaben für Service Management und Service Organisation
Die neuen Aufgaben im Service Management bestehen also vor allem darin, relevanten Service Content auf den unterschiedlichsten Plattformen im Netz aufzuspüren, diesen Content adäquat aufzubereiten und den Kunden auf einer modernen Know-how Sharing-Plattform bereit zu stellen. Ein Servicebereich mit eindeutiger Kundenverantwortung einbettet in eine an den Kundenprozessen ausgerichtete Organisation schafft die Voraussetzung für langfristiges Wachstum mit den Kunden.
Kundendialog auf Augenhöhe
Der so entstehende Kundenservice 2.0 eröffnet neue Chancen für einen Kundendialog auf Augenhöhe. Denn der informierte Kunde trifft hier auf den qualifizierten und „empowerten“ Mitarbeiter. Dies kann nachhaltig Vertrauen in die Kompetenz eines Unternehmens aufbauen. Vertrauen wiederum schafft Kundenbindung und sichert langfristig durch gemeinsame Wertschöpfung die Existenz des Unternehmens.
Disruptiver Wandel steht bevor
Know-how Sharing im Kundenservice 2.0 wird sich in der vernetzten Service-Ökonomie schon sehr bald als ein ausschlaggebender Wettbewerbsvorteil im hart umkämpften Servicemarkt erweisen. Call Center, die an ihren traditionellen Geschäftsmodellen der One-to-One-Kommunikation mit dem Telefon im Mittelpunkt weiterhin festhalten, werden hingegen das Schicksal der Dinosaurier erleiden müssen. Ein disruptiver Wandel in der Branche steht bevor.
Prof. Dr. Heike Simmet & Rainer Kolm


Neueste Artikel von Rainer Kolm (alle ansehen)
- Digitalisierung im Call Center – Chancen nutzen - 18. Oktober 2017
- Benchmarking im Kundenservice - 29. März 2017
- Botify your Business - 2. März 2017
- Customer Experience Management – Von Buzzwords zur Unternehmensphilosophie - 1. März 2016
- Service ist ein Marketinginstrument! - 6. Mai 2015
Der Weg zu einem „Know-how Center“ ist für viele klassische Call Cente noch weit, denn hierzu wird hoch qualifiziertes Personal benötigt. Dieses Personal ist jedoch nicht zum Mindestlohn zu haben. Die Weiterentwicklung in Richtung Know-how Sharing hat für Call Center daher unmittelbar auch personalpolitische Konsequenzen. Eine völlig neue Rolle der Agents im Call Center der Zukunft bzw. im neuen „Know-how Center“ ist die Folge. Das könnte Thema eines eigenen Blog-Beitrags werden…
Die gemachten Überlegungen sind gar nicht weit hergeholt, schaut man auf Wiki und sieht das dort zusammengefasst Wissen der Community als Modell dafür. Allerdings sind eben auch Moderatoren dieses Wissens notwendig. Das heute im den zitierten Foren verteilte, oft Halbwissen kann teilweise als gefährlich betrachtet werden. Zudem sind die Suchmechanismen in Google durch Erweiterungen und neue Suchfunktionen zu ersetzen. Es reicht eben nicht nur nach Schlagworten zu suchen und suchen und suchen .. bis irgendwann das passende Ergebnis zur Lösung eines Problems gefunden wird. Da kann man auch gleich sich in eine Warteschleife hängen.
Fakt bleibt, und das sehe ich als Kernaussage, er wird einen schrittweisen Wandel in den Services des klassischen Call Centers geben. Neue Aufgaben werden als Dienstleistung anzubieten sein, angefangen von der Moderation der Foren bis hin zur Erstellung des Wissens in eben diesen Foren. Das Contact Center wird ein Know How Center werden über das Wissen vom Kunden zum Unternehmen fließt und umgekehrt das Wissen des Unternehmens wieder an den Kunden strömt. Die Schnittstelle zwischen Kunde und Unternehmen wird hier verankert und somit das Contact Center ein Interaction Center. Spannend werden die dafür neuen Entlohnungsmodelle. Aber auch dafür sind Lösungen bereits angedacht.
Das Contact Center wird nicht verschwinden, ganz im Gegenteil. Aber es wird sich zwingend darauf einstellen müssen erweiterte und hochwertigere Dienste anzubieten.